Im Lichte der Stirnlampe

Schwer lastet der Rucksack auf Schultern und Hüfte. Es ist ruhig. Die Luft ist noch angenehm kühl und duftet nach Wald. Rechts und links des Weges blühen Unmengen von Fingerhut in lila und weiß. Ein paar Vögel zwitschern und zwischen den Zwergbuchen schimmern immer wieder kleine Eisberge hindurch, die langsam auf dem grünlich- milchigen See dahintreiben. Die meisten anderen Wanderer sitzen noch beim Frühstück am Campingplatz. Das erste Mal genieße ich das Laufen richtig. Einzig die Blasen an den Füßen hätten nicht sein müssen. Am Vortag bin ich mit dem Bus von Puerto Natales zum Torres del Paine Nationalpark gefahren. Ein voller Rucksack mit Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kocher und Essen für die nächsten fünf Tage. Ein Gewicht, dass sonst auf die Gepäckträger meines Rades verteilt wird musste nun auf meinem Rücken getragen werden. Erst ging es noch gemütlich mit einem Boot über den Lago Pehoé mit herrlichem Bergpanorama im Hintergrund. Doch schon die ersten Schritte in Richtung meines ersten Camps am Lago Grey mit gleichnamigen Gletscher ließen mich Zweifeln, ob das Vorhaben wirklich ein tolles Erlebnis werden könnte. Es fühlte sich, ganz im Gegenteil, eher nach unendlicher Schinderei an. Meine Muskeln waren diese Art der Bewegung nicht mehr gewohnt und ließen es mich bei jedem Schritt spüren. Die Stimmung besserte sich aber schlagartig, als nach einer kleinen Kuppe plötzlich der Blick frei wurde P1060444auf die überwältigenden Eismassen des Grey Gletschers. Was für ein Anblick! Nun lief es sich auch schon viel besser, immer mit Blick auf den Gletscher und nach insgesamt knapp vier Stunden kam ich am ersten Nachtlager an, froh mein Zelt aufbauen zu können. Nach einer Packung Kekse war ich wieder fit und so machte ich mich ohne Gepäck auf zum Aussichtspunkt. Ganz nah an der Abbruchkante des Gletschers saß ich über eine Stunde und genoss das Panorama, die Sonne dabei herrlich warm im Rücken. Zurück im Lager gab es zum Abendessen eine große Portion Nudeln mit Tomatensauce. Die schweren Dinge mussten zuerst gegessen werden. Mir gegenüber saß ein Schweizer Pärchen, dass nur eine Tomatensuppe zu zweit teilte. Das tat mir leid, weshalb ich ihnen gerne etwas von meinen Spaghetti abgab.

Zur Mittagszeit erreichte ich nun also den Startpunkt meiner gestrigen Tour. Nach einer Brotzeit wollte ich mir am Kiosk noch ein Snickers als Wegzehrung gönnen, aber leider war der Laden geschlossen. Großzügig halfen mir die beiden Schweizer, mit denen ich mein Abendessen geteilt hatte und die gerade an der Hütte ankamen, mit einem Snickers aus ihrem Vorrat aus. Dieses habe ich dann auch dringend gebraucht. Die ca. drei Stunden zum nächsten Camp schlauchten in der Mittagshitze dann doch sehr, auch wenn mir das Laufen an sich nun nichts mehr ausmachte. Die Muskeln schienen wohl eingesehen zu haben, dass wir da nun durch mussten oder sie haben sich daran erinnert, dass ich als jugendlicher schon ganz andere Touren mit vollem Rucksack unternommen habe. Immer vorbei an überwältigender Kulisse umrundete ich das P1060581Bergmassiv mit seinen beeindruckenden Gletschermassen links von mir liegend, rechts neben mir der türkisfarbene See und zwischendurch eine wackelige Hängebrücke, die bei jedem Schritt mitschwang und umso mehr, je mehr man es darauf anlegte. Mein nächster Campingplatz war der teuerste, hatte, mitten im Wald, dafür aber wirklich tolle Waschhäuser mit Regenwalddusche und Plattformen zum Aufstellen des Zeltes zu bieten. Hier verbrachte ich zwei Nächte, da ich am nächsten Tag zur Regeneration eine kleinere, sechsstündige Wanderung ohne Gepäck zu einem Aussichtspunkt machen wollte. Der eigentliche Aussichtspunkt hat sich dann leider nicht gelohnt, aber nach einer Stunde kam ich zu einem tiefer gelegenen Aussichtspunkt, der einen guten Blick auf den Francis Gletscher bot, dessen Bewegung und Abbrechen man selbst in meinem Camp noch wie ein tiefes Donnergrollen gut hören konnte.

Am nächsten Morgen kroch ich dann schon um fünf Uhr aus dem Schlafsack, frühstückte, packte zusammen und machte mich auf den Weg. Vor mir lag eine, als recht hart beschriebene zehn stündige Tour. Umso überraschter war ich, als ich nach nur 5,5 Stunden wenig anstrengender Wanderung um die Mittagszeit eine Hütte unweit meines Camps erreichte.P1060658 Zusammen mit meinen zwei Schweizern, die ich hier wieder traf, wanderte ich dann entspannt innerhalb einer Stunde zu unserem Camp unterhalb der berühmten Torres. Nach Zeltaufbau und Ruhepause machten wir uns dann noch auf zum Aufstieg zum Aussichtspunkt. Die Felsnadeln bei bestem Wetter waren ein herrlicher Anblick. Fast zwei Stunden verbrachten wir hier, bevor wir wieder zum Camp abstiegen.

Viertel vor fünf morgens. Im Licht der Stirnlampe machen ich mich wieder an den Aufstieg zum Aussichtspunkt. Die Torres bei Sonnenaufgang sollen ein unvergesslicher Anblick sein. Leider spielte das Wetter heute erstmal nicht mit und der Himmel war wolkenverhangen. Dann fing es sogar noch leicht an zu regen. Also nach 30 Minuten vergeblichen Wartens zurück ins Camp, froh, nicht wie andere schon eine Stunde früher aufgestiegen zu sein. Gemütlich machte ich mir Frühstück und legte mich nochmal für eine Stunde hin. Dann Zelt abbauen und los. Meine Schweizer waren schon ohne Verabschiedung los. Ich hatte sie noch zehn Minuten vorher aufbrechen sehen. Ich beeilte mich und wunderte mich, dass ich die beiden doch nicht einholte, denn normalerweise war ich ein ganzes Stück schneller unterwegs. So erreichte ich nach zwei Stunden zügigen Abstiegs schon das Basiscamp mit Lodge von wo aus die Busse in Richtung Puerto Natales abfuhren. Hier kam ich mit einem anderen Schweizer Pärchen ins Gespräch und da wir noch drei Stunden auf den Bus warten mussten beschlossen wir in der Lodge einen Kaffee zu trinken. Was für ein unbeschreibliches Hochgefühl nach fünf Tagen in der Natur in die weichen Ledersessel zu sinken. Das habe ich sehr genossen und am Ende wurde ich von den beiden Schweizern sogar noch auf den Kaffee eingeladen.

Zurück in Puerto Natales traf ich im Supermarkt zufällig meine anderen Schweizer wieder. Auch sie hatten sich gewundert, dass ich plötzlich weg war. Sie hatten nur zusammengepackt und ihre Sachen mit zum Kochunterstand genommen. Da ich schon gefrühstückt hatte traf ich sie natürlich nicht und war so auf dem ganzen Abstieg vor ihnen. So hatten wir alle etwas zu lachen. Zum Abendessen gab es sehr leckere Pizza und Bier. Hierzu hatte ich mich mit den beiden Schweizern aus der Lodge verabredet und wir saßen noch lange zusammen. Ein wirklich netter Abend und da der Eidgenosse im Herzen eigentlich auch Radfahrer war, gab es viel zu erzählen.

Puerto Natales selber bezieht seine Daseinsberechtigung eigentlich rein aus dem Tourismus. Alles ist hier auf Ausstattung und Unterbringung von Touristen, die in den nahe gelegen Park wollen ausgelegt. Viele Touranbieter tummeln sich hier und wer kein Hostel hat oder einen Ausstattungsladen betreibt, hat zumindest einen kleinen Laden mit Lebensmitteln und sonst allem, was sich auch nur im Ansatz an den Bergtouristen verkaufen lässt.

Ich nutze die zwei Tage hier bei schlechtem Wetter, um meine Wäsche waschen zu lassen, Berichte zu schreiben, Videos zu erstellen und für die nächsten Tage voraus zu planen. Morgen geht es weiter in Richtung Argentinien zum Perito Moreno Gletscher. Danach nach El Chaltén mit dem berühmten Fitz Roy und im Anschluss in einer kleinen Odyssee zurück nach Chile nach Villa O’Higgins, dem südlichsten Punkt der Carretera Austral. Hier wird es dann hoffentlich weniger windig, aber vermutlich auch feuchter. Alles in allem kann es aber gut sein, dass der nächste Bericht wieder 14 Tage auf sich warten lässt, je nach dem, wann ich wieder Internet haben werde.

Bis dahin…

7 thoughts on “Im Lichte der Stirnlampe”

  1. Hallo Niko
    Intressanter Bericht und ja, eigentlich würde der Eidgenosse sehr gerne auf dem Velo unterwegs sein mit dir. Haben den Abend genossen und wünschen dir alles Gute für die Reise und immer ein wenig Rückenwind. Falls mal nichts zu lesen hast (mibs.me). Gruss Michi und Pia

    1. 😀 Hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Das war ein sehr netter Abend. Und vielleicht sieht man sich ja doch nochmal 😉

  2. Hey Niko,
    vermissen dich hier – grad war es die Woche echt geil zum Langlauf skaten.. – das wär doch sicher auch was für uns gewesen?
    Außerdem hast du verpasst, wie Julia für mich gesungen hat auf dem Neujahrsempfang – tja, es gibt halt doch ein paar Entbehrungen.. oder wer singt für dich in Südamerika?
    PS: mit Puntas Arenas hatte die Ev. Gemeinde in Stetten lange Zeit ein Partnerschaft..
    LG Achim

    1. Wie? Und das sagst du jetzt? Und ich habe hier Geld für ein Hostel ausgegeben… mit welchen Städten gibt es denn noch Partnerschaften? 😉

  3. Hello Niko – die Bergwelt der Torres del Paine ist
    unvergleichlich. Du hast ja wirklich was erlebt.
    Gute Weiterfahrt und viel Glueck!
    Ciao – Rainer

  4. „only two People at a time on the Bridge“… Wie gerne wäre ich deine zweite Person gewesen…! Atemberaubende Bilder! Miss you!

    1. Und wir hätten das Ding sowas von zum schwingen gebracht! 😉

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