Cusco- Nabel der Welt. So zumindest die Bedeutung dieses alten Quechua Wortes und so wundert es nicht, dass sich in unmittelbarer Nähe dieses alten Inkazentrums die Hauptsehenswürdigkeiten des untergegangenen Reiches finden. Macchu Picchu, als größter Touristenmagnet Südamerikas, natürlich ganz vorne dran. Um, wie die Inkas, von Cusco aus zu Fuß dorthin zu gelangen, muss man, zumindest für die Hauptsaison, sich schon mehrere Monate im Voraus für den Inca-Trail registriert haben. Aber zum Glück gibt es ja noch nicht reglementierte Trails wie den nicht weniger schönen Salkantay Trek. Also auf nach Macchu Picchu. Natürlich zu Fuß! Pünktlich um 4:30 Uhr werde ich an meinem Hostel abgeholt. Nach ein paar weiteren Stopps im Umkreis ist unser Bus voll und es geht los. 10 Brasilianer, 2 Amerikaner und ich. Den beeindruckenden Salkantay (6271 m) in Sichtweite starten wir mit einem gemütlichen „Einlaufen“ zum ersten Camp. Nach dem Mittagsmenü geht es zur Akklimatisierung noch ein paar hundert Meter hinauf zu einer Lagune, danach Abendessen und ab ins Bett. Frühstück ist schließlich schon um 5:30 Uhr. Erstaunlich pünktlich klopft es am nächsten Morgen um 5 Uhr ans Zelt. Der Aufwachtee aus Cocablättern wird ans Zelt gebracht und wird jeden Morgen das Aufwachritual darstellen. Nur scheint Cocatee als Wachmacher nicht sonderlich gut zu wirken. Um 5:30 Uhr sitze ich alleine am Frühstückstisch. Der Rest der Gruppe trudelt erst kurz vor sechs ein und entsprechend verzögert sich unser Abmarsch auch. Als es dann endlich losgeht ist es aber einfach nur schön. Gewaltig thront das riesige Massiv des dick mit Schnee und Eis bepackten Salkantay in der Ferne und mit jeden Schritt auf ihn zu wirkt er imposanter. Bei 4600 m ist die Passhöhe unmittelbar am Fuße des Berges erreicht. Ab jetzt geht es langsam abwärts. Die Träger sind schon voraus geeilt, haben vorher die Zelte abgebaut, alles auf Maultiere geladen und tragen einen Teil auch noch selber. Das Mittagessen muss ja vorbereitet sein, wenn die Gringos auf halber Strecke zum nächsten Lager ankommen. Aus den Höhen der kargen Anden geht es nun immer weiter hinab, hinein in tropische Wälder. Der ganze nächste Tag führte immer tiefer in diese Landschaft hinein. Irgendwann kommen die ersten Kaffee- und Bananenplantagen. Meine neue Lieblingsfrucht habe ich hier auch kennengelernt: Granadilla. Eine Art Passionsfrucht, aber sehr lecker süß. Nach dem Mittagessen verabschiedete ich mich dann von meiner Gruppe, die noch zu heißen Quellen in der Nähe wollte und machte mich im strömenden Regen auf den 13 km langen Marsch nach Aguas Calientes. Dem Dorf am Fuße Macchu Picchus und jetzt kam richtig Vorfreude auf. So nah am Ziel, an das ich auf der ganzen Wanderung der Vortage aufgrund der tollen Landschaft kaum gedacht hatte. 3:30 Uhr aufstehen. Tourismus in Südamerika ist nichts für Langschläfer. Wer pünktlich bei den Ruinen sein will, muss sich schon um 4 Uhr an der Brücke zum Weg hinauf nach Macchu Picchu anstellen (Wer nicht relativ weit vorne steht, hängt im Pulk fest und kann nur schwer und langsam überholen). Um 5 Uhr öffnet die Brücke und das große Rennen beginnt. Nur die Wenigsten halten die hohe Anfangsgeschwindigkeit durch und so sind die ca. 20 Leute, die vor mir an der Brücke waren schnell überholt. 2000 Stufen später komme ich zufrieden als Erster oben am Kassenhäuschen an, ca. 10 Minuten bevor die erste Busladung um 5:50 ausgespuckt wird (ja, man hätte auch Busfahren können, muss sich aber hierfür ebenfalls schon um 4 Uhr an der Bushaltestelle anstellen). Punkt sechs Uhr ist Einlass und während die meisten Leute auf ihren Guide warten, verzichte ich auf die Führung und kann für ein paar Minuten die Ruinen für mich in relativer Ruhe genießen, bevor sie von den Massen völlig überrannt werden. Bis 11 Uhr hat sich die Stadt so weit gefüllt, dass die Menschen sich an Engstellen schiebend vorwärtsbewegen. Trotz dieser Massen hat mir Macchu Picchu, das inmitten von schroffen, waldbewachsenen steil aufragenden Bergen thront, vor allem auch in der Kombination mit der Wanderung dorthin, aber sehr gut gefallen. Mit dem Minibus ging es dann innerhalb 5 Stunden wieder zurück nach Cusco, wo ich vier Tage vorher aufgebrochen war.
Cusco selber ist als Stadt ebenfalls sehr sehenswert. Viele Gebäude im kolonialen Stil mit hübschen Balkonen, teilweise errichtet auf Inkaruinen, deren Fundamente teils herausgearbeitet sind. Alles sehr aufgeräumt und ordentlich, mit vielen Restaurants, Kirchen und bunten Plazas und direkt oberhalb der Stadt mit noch gut erhaltenen Ruinen eines Festungs und/ oder Zeremonienplatzes wo die Baukunst der Inka des fugenlosen Fügens von Mauern nochmal in beeindruckender Größe bewundert werden kann. Was ein, für damalige Verhältnisse des 15 Jahrhunderts, rückständiges Indianervolk, ohne moderne Hilfsmittel zu Leisten im Stande war und über welches Wissen sie in Bezug auf Bauwesen, Be- und Entwässerung und Landwirtschaft verfügten, ist bemerkenswert. Nach ein paar weiteren Ruhetagen verabschiede ich mich von dieser schönen Stadt und begebe mich auf eine Achterbahnfahrt in Richtung Küste. Bergauf, hinaus aus Cusco, dann durch ein fruchtbares Hochtal, dann auf fantastischer Abfahrt 2000 m tiefer in tropische Gebiete mit bunt blühenden Blumen und Bäumen, nur um gleich wieder in den nächsten Anstieg von 2000 m zu gehen. Oben angekommen- na klar- wieder hinab um 2200 m. So geht es ein paar Mal, bis ich eine trockene Hochebene mit Altiplanolandschaft erreiche, die wellig immer wieder auf knapp 4600 m führt bevor es dann endgültig über 3000 m hinab geht in die Wüste. Ich sage den letzten Vicunas (die eleganten Vettern der plumpen, X-beinigen Alpacas) ade , winke den über mir kreisenden Kondoren zu und sause mehrere Stunden hinab bis nach Nazca. Richtig – dem Ort mit den berühmten, über 2000 Jahre alten Linien und Scharrbildern und meine erster Weg, ungeduscht und mit voll beladenem Fahrrad, führt mich daher auch zum Flughafen, denn nur aus der Luft ist dieses Weltkulturerbe zu sehen und zu erfassen. Im Hintergrund die höchste Düne der Welt mit über 2000 m, unter mir die Wüstenlandschaft mit immer neuen Bildern, die es zu entdecken gilt. Ein empfehlenswerter Ausflug, wenn man schon mal in der Gegend ist. 150 km geht es nun durch Wüste, bis zur Oase Huacachina bei Ica. Sandboard und Dünenbuggy fahren stehen auf dem Programm, inmitten einer Landschaft, die die Meisten in der Sahara Afrikas vermuten würden. Ich bin restlos begeistert von dieser riesen Sandkiste.
Weitere 70 km Wüste müssen durchquert werden um nach Paracas zu gelangen. Ich bin endlich am Meer. Wie Wüste kam mir dieser Abschnitt allerdings kaum vor. Oft war es grün um mich herum. Mitten in der Wüste ermöglicht Bewässerung und Düngung den Anbau von Wein, Gemüse jeder Art und Früchten. Ein Reich gedeckter Tisch in einer Region des Mangels. Doch wer den Blick hebt und etwas weiter schaut, der kann die Dünen, den Sand und die Trockenheit nicht übersehen. Mangel scheint es für die vielen Pelikane und Seevögel in Paracas nicht zu geben. Während wir morgens um 8 Uhr auf unser Boot zu den Islas Ballestas warten, schießen die Vögel im Sekundentakt wie Pfeile ins Hafenbecken um sich ihr Frühstück zu fangen. Die Islas Ballestas werden wahrscheinlich den wenigsten Menschen etwas sagen, bekannt hingegen ist das Produkt ihrer Bewohner. Vogelkot. Millionen von Vögeln produzieren hier viele Tonnen des begehrten Guanodüngers (der zugegebenermaßen in Zeiten günstigen Kunstdüngers etwas an Bedeutung eingebüßt hat, aber weltweit bekannt ist). Verschiedene Tölpelarten, Pelikane, Geier und sogar ein paar Pinguine nisten hier. In langen Ketten ziehen hunderte Seevögel nur wenige Zentimeter über dem Wasser wie an einer Perlenschnur gezogen dahin. Die Luft ist erfüllt von Vogelkreischen und dem markanten Geruch von Millionen Guanoproduzenten. Trotzdem fühlen sich auch viele Seelöwen hier sehr wohl.
Nun sitze ich in Lima in einem Restaurant an den Klippen, direkt über dem Meer. Die restliche Fahrt ging durch tristes Agrargebiet entlang der Küstenwüste Perus. Der Dauernebel, Garua, der hier für ein halbes Jahr hängt, ist nun da. Die Sonne schafft es nur selten durchzubrechen. Diese sonnigen Momente genieße ich – so wie jetzt. Unter mir die Panoramaterrasse auf der viele Touristen, aber auch Einheimische ihre Cocktails in der Sonne schlürfen und etwas essen, gelegentlich gleiten Paraglider vorbei oder Geier ziehen ruhig und elegant ihre Kreise. Am Fuße der Klippen die viel befahrene Uferstraße und nur ein paar Meter weiter der Kießstrand, an dem in regelmäßigen Abständen die Wellen anbranden. In der Ferne nur die scheinbar unendliche Weite des Meeres. Das wäre der perfekte Ort einen Urlaub, zum Beispiel die vierwöchige Rundreise durch Peru abzuschließen, wehmütig die besten Urlaubsbilder revue passieren zu lassen um dann, zufrieden, mit vielen Erinnerungen nach Hause zu fliegen. Mal wieder mehr als genug erlebt, um für einen Urlaub ausreichend zu sein, so, dass mal wieder nur Platz ist, über die großen Highlights kurz zu berichten. Dabei gab es natürlich auch diesmal wieder so viele kleine Erlebnisse, Dinge und Begegnungen, die zu berichten es wert wären. Zum Beispiel, wie ich mich an einem Abend in einem Kiosk mit dem Dorflehrer betrunken habe, oder wie ich in einem Dorf zum Holzhacken herausgefordert wurde und im Anschluss mit Most aus Maismaische belohnt wurde. Oder wie ich in Cusco drei neue Freundinnen gefunden habe, denen ich auf noch zwei weiteren Stationen meiner Reise begegnet bin, obwohl sie mit dem Bus unterwegs waren. Oder von den Chinchillas, die ich im Hochgebirge immer wieder gesehen habe, die von den meisten „normal“ Reisenden nie gesehen werden. Oder wie ich jede zweite Nacht erst die Kuhfladen aus dem Weg räumen musste, um einen guten Zeltplatz am Hang zu haben. Oder einfach noch ein bisschen mehr Hintergrund zur Geschichte von Macchu Picchu, den Incas oder der Nazca Linien. Oder…
Aber so bleiben erstmal wieder nur die Fotos und Schnappschüsse. Diesmal 91 an der Zahl. Wie immer viel Spaß damit. Für mich geht die Reise noch ein bisschen weiter. Die nächsten Highlights warten. Bis dahin müssen aber noch 2000 Radkilometer überwunden werden. Weitere über 1000 km Wüste, dann wieder zurück in die Anden, hinein nach Ecuador.
Cool wieder von dir zu lesen. Immer wieder erstaunt es uns, was du in den Anden radelst. Bei uns hatten ja zeitweise der Bus Probleme, den Weg rauf zu kommen.
Wir hatten Glück und bekamen noch einen Platz auf dem Inkatrail. Das aber auch nur wegen der Regenzeit. Falls du bei deiner Weitereise über Huanchaco kommst, empfehlen wir dir das Chocolate Cafe. Gehört einer Schweizerin und bietet super Frühstücks. Wie siehts es mit deinem Plan aus, alles im Lot?
Vielen Dank für den Tipp! Ich werde es mir mal merken. Mal sehen ob ich dort zur Frühstückszeit vorbeikomme.
Plan ist soweit noch im Lot. In vier Wochen sollte ich in Quito sein und Weihnachten dann in Costa Rica.
Wenn ihr eine schöne entspannte Radelstrecke für Februar/März sucht, könntet ihr in Yucatan an der Karibikküste 2 Wochen mitradeln 😉
Freue mich, dass ihr noch immer fleißig meinen Blog verfolgt. Viele Grüße aus Lima
Wieder mal tolle Erlebnisse und Erfahrungen satt! Und das in wiederum phantastischen und extremen Landschaften! Für den Normalreisenden mehr als genug für einen Urlaub! Gesunde und gute Weiterfahrt!
Hi Niko – ich fahre immer noch mit Begeisterung mit dir.
Welch fantastische Welt – Abenteur ohne ende – geniesse sie!
Ciao Rainer
Hallo Niko,
nach langer Zeit ein Lebenszeichen von uns. Vielen Dank, dass Du uns die Vielfalt dieses Kontinents miterleben läßt. Zu allererst sind es die Landschaften, die uns faszinieren. Fotos und Videos sind ganz toll. Wir glauben, dass die Mischung es macht. Das Schöne zu beschreiben, ohne die Probleme und sozialen Missstände auszublenden, das ist immer spannend zu lesen. Wenn Du zurück bist, lass ich mir mal die Haare von Dir schneiden. Brauchst ja kaum zu üben.
Wenn wir Deinen meist einsamen Kampf mit den Bergen, den Naturgewalten, die vielen Kilometer allein durch z.T. verlassene Landschaften anschauen, da drängt sich uns manchmal der Gedanke an eine Pilgerreise auf, bei der ja oft weniger das örtliche Ziel (ob Santiago de Compostela oder Alaska) im Vordergrund steht als die Pilgerreise ins eigene Ich. Wir können uns vorstellen, dass das das eigentlich Spannende ist.
Wir wünschen Dir weiter eine sichere Fahrt und ein gutes Auge für schöne Fotos (damit wir Couchtouristen auch was davon haben). Auf bald.
Anno und Margret
Vielen Dank für diesen netten Kommentar. Es freut mich, dass ich zumindest einen Teil dessen, was diese einmalige Reise ausmacht, nach Deutschland transportieren kann, auch wenn meine hier geschilderten Eindrücke immer nur kleine Ausschnitte des Erlebten wiedergeben können. Ich wünsche euch weiterhin viel Spaß beim Verfolgen meiner Reise und freue mich über euer Interesse an dieser. Mit den Fotos gebe ich mir weiterhin Mühe, aber nicht immer sind gute Motive dabei oder die Zeit reicht nur für einen schnellen Schnappschuss mit der kleinen Kompaktkamera oder mit dem Handy. Viele Grüße aus Peru