Eieiei

3 Uhr Nachmittags: Die Füße im Sand, der Blick aufs Meer, den Pisco Sour, Perus Nationalcocktail, in der Hand. Wäre das Wasser nicht so kalt, der Strand nicht so kiesig und der Meeresboden nicht so scharfkantig steinig mit Seeigeln und Muscheln, das Dorf etwas hübscher… es wäre ein guter Ort, um sich zu erholen.
600 km habe ich nach Huanchaco, dem Badevorort Trujillos, seit Lima hinter mich gebracht. 600 km entlang der Küste, überwiegend durch sandige Wüsten mit Sicheldünen und Millionen von Hühnern in Käfighaltung mit bestem Meerblick, immer eine frische Briese um die Nase. Eine „Hühnerhütte“ von geschätzt 25 m auf 100 m fasst dabei 10 000 Legehennen. Angenommen jedes Huhn legt jeden Tag ein Ei, Wochenendarbeit ohne Anrecht auf Urlaub mit eingerechnet, so kommt jede Hütteneinheit auf 3,65 Mio Eier im Jahr. P1010722An manchen Stellen zählte ich bis zu 70 dieser Legeeinheiten, die zusammen auf einen theoretischen Output von 255 Mio Eiern kommen. Was sich bei erster Betrachtung nach ungeheuer vielen Eiern anhört, ist bei näherer Betrachtung allerdings nicht so viel. Bei einer Einwohnerzahl von über 30 Mio, bekommt jeder Peruaner gerade einmal 8 Eier. Hiervon müssen wiederum etwas über 50%, die in die Industrielle Nutzung fließen abgezogen werden, was wiederum bedeutet, dass bei jedem Peruaner gerade einmal 4 Eier pro Jahr ankommen. In Deutschland liegt der durchschnittliche Eierkonsum bei 233 Eiern im Jahr (inkl. Industrie). Die Peruaner stehen uns in dieser Hinsicht sicherlich in keiner Weise nach. Um also die benötigten 7 Milliarden Eier für Peru zu produzieren, müssen fast 2000 dieser Legehütten betrieben werden, die dazu noch mit Idealhühnern ohne Produktionsausfälle besetzt sind. In der Realität wird der Bedarf an Legehütten also noch deutlich höher sein. In der Konsequenz muss man also zu dem Schluss kommen, dass eine Produktion in dieser Form notwendig ist und Forderungen von Ökoverbänden (aus westlichen Industrienationen) nach rein ökologisch produzierten Eiern von glücklichen Hühnern, am besten noch mit großem Freigehege nur Wunschdenken sein können, die an der Realität aber weit vorbeigehen. Auf Grundlage der oben aufgeführten Zahlen und der ausgeführten Überlegungen, kann das Ökofreilaufei also immer nur ein Nischenprodukt sein, mit dem die Kunden am Supermarktregal ab und zu ihr schlechtes ökologisches Gewissen wieder reinwaschen können. Ja. Man hat Zeit, wenn man durch die Wüste fährt…

Was einem den Tag auf dieser Fahrt versüßt? Zuckerrohrsaft! Am besten frisch gepresst am Straßenstand für 25 cent pro Glas. Alternativ und vor allem im Norden zu finden: Kokosnusswasser frisch aus der P1010807Kokosnuss. Etwas mehr als ein halber Liter kommt aus einer großen Nuss für 50 cent und ist dabei sehr erfrischend. Immer noch nicht genug? Dann gibt es noch einen frisch gepressten Orangensaft oder einen Fruchtsmoothie mal pur oder mit Milch gemischt, oft noch mit zusätzlichem Zucker gesüßt obendrauf! Hungrig? Die Peruanische Küche läuft hier zur Hochform auf. Für weniger als 2 Euro gibt es eine große Suppe und und als Hauptgang meist einen großen Teller den man aus einer Vielfalt verschiedener, allesamt leckerer, nie vegetarischer Gerichte wählt. An der Küste entschied ich mich meistens für Fisch oder ein Rindfleischgericht. Spätestens im Norden Perus stand auch jeden Tag eine Portion Ceviche (Cebiche je nach Region) auf dem Speiseplan. Mal sauer, mal scharf in Limettensaft marinierter, roher Fisch mit Zwiebeln. Wenn Pisco das Nationalgetränk der Peruaner ist, so sind Ceviche das Nationalgericht.
Nachdem Huanchaco also noch nicht der ideale Urlaubsort war, ging es weiter die Küste entlang in Richtung Mancora. Einer der beliebtesten Badestrände Perus. Endlich ist es endgültig flach und ich schaffe seit langem mal wieder regelmäßig an die 150 km am Tag. Es geht nun häufig zwischen den Wüstenabschnitten durch intensiv bewässerte und landwirtschaftlich genutzte Gebiete mit sattem Grün. Von ein paar Bananen über Zuckerrohr, Artischocken, Reis, Mais bis zu Erdbeeren wird hier alles angebaut. Jahreszeiten spielen dabei keine Rolle. Es gibt sie nicht und so erntet der eine Nachbar gerade seinen Mais, während der andere Nachbar erst beim Aussäen ist und beim Dritten die Feldfrüchte in voller Blüte stehen. Maschinen sieht man auf den Feldern dabei selten. Landwirtschaft ist hier mühsame Handarbeit und alle packen mit an.
So sitzte ich also, die Füße nicht im Sand, weil ich lieber in einem der Loungesessel auf dem Holzverdeck PlaP1390707tz genommen habe, den Blick aufs Meer, den Pisco Sour, Perus Nationalcocktail in der Hand. Tagsüber war ich im Wasser, die Temperatur angenehm, der Strand schmal aber Sandstrand, der Meeresboden ebenso. Mit meiner neuen Taucherbrille kann ich die kleinen Rochen beobachten, wie sie versuchen mit dem Meeresboden eins zu werde, was ihnen erstaunlich gut gelingt. Das Dorf nicht ganz so hübsch. Trotzdem ein guter Ort, um sich zu erholen. Das Hotel günstig und direkt am Strand, mit Pool und Palmen. Wenn einem trotzdem langweilig wird, mietet man sich für 12 Euro für 20 Minuten einen Jetski und schanzt damit über die Wellen. Am Abend wählt man dann einen frischen Fisch an einem provisorisch wirkenden Restaurants aus und bekommt diesen dann frisch, vor den eigenen Augen auf dem Grill zubereitet. Das Leben kann so herrlich sein…
.…und dann kommt man nach Ecuador. Die Kokosnuss kostet plötzlich 1,50, der Himmel ist bedeckt, es ist schwül heiß und man fährt den ganzen Tag durch Bananenplantagen, die nur ab und zu von Kakaoplantagen unterbrochen werden. Trotzdem ist das Ganze noch ganz gut auszuhalten. Alles ist nun exotisch anders und doch vertraut. Ich probiere meine erste frische Kakaofrucht (das Fruchtfleisch um den Kern kann man ablutschen und erinnertP1390716 an Litschi)und knabber das Fruchtfleisch von Früchten aus riesigen Schoten. Aber es gibt auch noch immer die Straßenverkäufer, die Straßenstände mit Essen und das Mittagessen mit Suppe und Hauptgericht. Gleichzeitig ist das Land deutlich wohlhabender als das arme Nachbarland. Sah man in Peru hauptsächlich Lastwagen verschiedener Größe auf der Straße und unzählige Mototaxis in den Orten (Motorrikschas) bzw. für den öffentlichen Nahverkehr (bis 150 km) sogenannte Collectivos (Minivans/Sammeltaxen) oder Fernbusse, was insgesamt zu einem relativ geringem Verkehrsaufkommen führte, so sind die Ecuadorianischen Straßen voll von privaten Fahrzeugen, überwiegend aus Nordamerikanischer oder Asiatischer Produktion. Die Fahrweise ist mindestens genauso rücksichtslos wie in Peru und jeder scheint das maximale aus seinem Auto herausholen zu wollen. Auf europäischen Alpenpässen wären Ecuadorianer definitiv kein Hindernis. Im Gegenteil. Auch nur der geringste Geschwindigkeitsüberschuss wird zum Überholen genutzt. Dass dies auch in Kurven und anderen unübersichtlichen Stellen geschieht, versteht sich dabei von selbst. Zur Not passen auf einer schmalen Straße ja auch mal drei Fahrzeuge aneinander vorbei, wenn sich die außen fahrenden maximal an den Straßenrand drängen. Auch in Ecuador trifft man auf freundliche Leute. An einem Tag werde ich, als ich an einer Hochzeitsfeier mit dem „Ich könnte jetzt auch ein Bier vertragen“ Blick vorbeifahre tatsächlich auf ein Bier eingeladen, muss dann noch eine halbe Stunde in meinen verschwitzten Radklamotten Salsa und Merengue tanzen wozu ich weitere Biere aufgedrängt bekomme, bevor ich mich dann aus der Affäre ziehen kann um noch die restlichen 10 km zu radeln. Neben einem Haus campend werde ich dann freundlicherweise noch zum Abendessen in einem nahen Restaurant eingeladen und um das Frühstück musste ich mich auch nicht kümmern.
Aber dann wurde alles anders: 90 km, 4400 Höhenmeter, 2,5 Tage bergauf. Ich fahre zurück in die Anden. Dem subtropischen Wald entsteige ich langsam, die Vegetation wird alpenähnlicher bis sie am Ende komplett verschwindet. P1010831Immer wieder ziehen Wolken vorbei, liegen wie ein See unter mir oder ich fahre in Nebelschwaden hinein, die genauso schnell wieder verschwinden wie sie gekommen sind. Eine hohe Wolkendecke sorgt dabei für eine Dauerbeschattung und als ich die Westkordiliere der Anden auf 3900 m endlich überwunden habe, setzt kalter Regen ein, der mich von Riobamba bis nach Quito nun immer wieder begleitet. Eigentlich war ich hier hoch, zurück in die Anden gefahren, um die markanten und bekannten Vulkane Chimborazo (6268 m) und Cotopaxi (5897 m) entlang der Strecke zu bestaunen. Leider hängt die ganze Umgebung ständig in Wolken, aus denen sich mehrfach pro Tag heftiger, kalter Regen ergießt und nur am Abend habe ich das Glück für ein paar Minuten einen halbwegs klaren Blick auf die Berge zu erhaschen, bevor sie wieder in den Wolken verschwinden. Das Andenhochland Ecuadors soll schön sein, hat man mir gesagt. Ich will es ihnen glauben. Wellig bis bergig ist es auf jeden Fall und man fährt viel Auf und Ab.
Nun bin ich in Quito. Der Äquator ist erreicht. Der Tachostand zeigt über 13 200 gefahrene Kilometer in fast 800 Stunden. Eine Auszeit, ein kleiner Urlaub sind nötig und mit Sicherheit auch verdient. Für mich geht es jetzt für 17 Tage auf die Galapagos Inseln. Ein bisschen Ausspannen, ein bisschen Tiere beobachten, ein bisschen Fotografieren und die Seele baumeln lassen.
Bis zum nächsten Bericht dauert es also wieder ein bisschen. Bis dahin wie immer viel Spaß mit den Fotos und Schnappschüssen. Diesmal 62 an der Zahl.

3 thoughts on “Eieiei”

  1. Dann wünschen wir dir einen erholsamen Urlaub vom Urlaub und viele tolle Eindrücke im Naturparadies Galapagos! Entspanne deine Beine! Liebe Grüße von zu Hause!

  2. Und du warst nicht surfen?! Pass mal auf deine Sonnenbrille auf wenn du wieder Jetski fahren gehst.

    Ich wünsche dir einen tolle Zeit auf den Inseln!

    Viele Grüße aus dem Herbst

  3. Ecuador… In a small country all things mountains sea desert jungles… Good food and nice people!

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