Carretera Austral – Die letzte Scheißpiste

 

Das frischgewaschene Trikot duftet angenehm als ich es überstreife. Das Kaffeewasser im Kessel auf dem Ofen siedet schon und mollig, wohlige Wärme fängt an sich im Raum auszubreiten. Wie gestern schon, habe ich direkt nach dem Aufstehen erstmal den alten Holzofen angezündet.

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Kochen wie vor hundert Jahren. Und die Stube wird dabei auch gleich geheizt – urig und gemütlich

Der Dauerregen des Vortages ist aber vorbei und heute geht es weiter. Durch die Empfehlung eines französischen Reisepärchens habe ich die 3 km abseits der Straße liegende Unterkunft ca. 50 km südlich des Dorfes Cochrane gefunden und konnte für einen sehr kleinen Betrag die Schutzhütte des Campingplatzes inklusive Ofen und Feuerholz mieten. Der Campingplatz selber war eigentlich nur der Nebenerwerb eines kleinen Bauernhofes und so konnte man ebenfalls sehr günstig frisches Gemüse direkt aus dem Garten, frischen Käse und frische Brötchen erwerben. Mein Regenprogramm bestand also aus Ofen befeuern und Kochen! So frisch und lecker habe ich die letzten sechs Wochen schon nicht mehr gegessen. Brötchen mit Käse, karamelisierten Zwiebeln, Schnittlauch, Gurke. Zum Abendessen Bratkartoffeln mit geschmolzenem Käse, Zwiebeln und Möhren. Eine wahre Gaumenfreude! Das ganze auf dem prasselnden Feuer zubereitet – eine urige Atmosphäre.

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Alles frisch und 100% Bio – sooo lecker!

 

Von der Carretera Austral bin ich enttäuscht. Meine Erwartungen waren hoch, hatte ich doch so viel Gutes von anderen Reisenden gehört, die durchweg begeistert waren und schwärmten, wie schön es hier sei. Natürlich habe ich auch etwas Pech mit dem Wetter und der Titel zum heutigen Eintrag war unfairerweise schon auf den ersten knapp hundert Kilometern gefunden. Es ging sehr holprig über Waschbrettpiste im Schneckentempo über Steine und Schotter. Man musste aufpassen nicht auf die abfallende Schulter zu geraten, da

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Wild sprudeln überall Bäche aus dem Wald

sonst die Reifen leicht unter einem wegrutschten und man in den Graben abzudriften drohte. Zeit die Landschaft zu genießen blieb dabei kaum, weil die Piste die volle Konzentration forderte. Ohnehin war die Landschaft auf dem ersten Teil nicht so spektakulär. Viele Berge, die bis obenhin dunkel bewaldet waren schufen ein relativ düsteres, wildes, aber unfreundliches Bild, welches durch das triste Wetter natürlich noch verstärkt wurde. Ganz hübsch hingegen die immer wieder auftauchenden Gletscher von denen aus sich kaskadenartig Wasserfälle und Bäche ergießen und überall sprudeln rauschende Gebirgsbäche aus dem Wald oder es finden sich kleine Wasserfälle direkt neben der Straße. Ein ganz anderes Bild zeigte sich zwei Tage später. Herrlicher Sonnenschein, überall schwirrten Kolibris durch die Luft und die Piste, die ich zuvor mit Ausdrücken belegte, von denen ich gar nicht wusste, dass sie sich in meinem Vokabular befanden, war für ca. 50km wunderbar zu befahren. Schon fast hatte ich ein schlechtes Gewissen an den vorangegangenen Tagen so geschimpft zu haben. Die Strecke führte über kleinere Pässe durch enge Schluchten mit urtümlichen Regenwaldgewächsen und Geräuschen von unbekannten Vögeln. Ein durchaus interessanter Teilabschnitt der Carretera. Für einen ebenfalls lohnenswerten Abstecher besuchte ich noch das kleine, 23 km abseits der Hauptstraße an einem Fjord gelegene Fischerdörfchen Tortel.

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Auf Stegen errichtetes Fischerdörfchen Tortel

Alle Häuser sind hier über Stege verbunden, die von den Bewohnern in mühsamer Arbeit angelegt und in Schuss gehalten werden.

 

Über wieder recht holprige Piste ging es in Richtung Cochrane mit oben beschriebenem Pausentag im Dauerregen in der urigen Hütte, durch nach wie vor hügelig- bergige Landschaft. In Cochranne kam ich dann bei gutem Wetter wieder mal gerade pünktlich zum Dorffest mit Grillständen und Rodeo an. Dazu aber beim nächsten Mal.

Insgesamt ist die Carretera Austral landschaftlich sicher ein ganz schöner und auch teils abwechslungsreicher Abschnitt, aber nicht der schönste meiner Reise und abgesehen von der Vielzahl der Gletscher in seiner Art auch nicht einzigartig. Oft erinnert mich die Landschaft an Gegenden der USA oder Canada. Dass der Straßenzustand nicht super sein würde wusste ich natürlich, hatte mir aber doch etwas bessere Straßen erhofft. Immer wieder sind selbst 10 km/h zu viel, so dass sich die vorderen Taschen an einem Aufhängungspunkt lösen oder gar ganz verloren gehen. An all das gewöhnt man sich natürlich und passt seine Geschwindigkeit und Einstellung entsprechend an. Richtung Norden soll die Straße nun auch kontinuierlich besser werden. Es ist also wie gesagt insgesamt kein so schlimmer Abschnitt, wie es der Titel vermuten lässt. Die durch Berichte anderer Reisenden übersteigerte Erwartungshaltung und das nur durchwachsene Wetter führen aber zu einer gewissen Enttäuschung. Trotzdem freue ich mich auf die weiteren Teile der Carretera Austral und bin gepannt wie es weitergeht. Und ich habe noch einige Kilometer vor mir…

 

12 thoughts on “Carretera Austral – Die letzte Scheißpiste”

  1. Sieht doch ganz schön aus 🙂 Beim Anblick des Gemüses und Käses werde ich auch ein bisschen neidisch…

  2. Heftige Strecke! Da hält leckeres Essen ganz besonders Leib und Seele zusammen… Und zwischenzeitlich bist du wohl zum Zwerg mutiert?! Was ist das für eine gigantische Pflanze? Riesenbärenklau? Krass!

  3. Was täten wir ohne Google? 🙂 Kein Riesenbärenklau, sondern Mammutblatt oder Nalca/Pangue_Pflanze, so eine Art Riesenrhabarber… Immerhin „Riesen-“ stimmte – wen wundert’s?

    1. Tatsächlich ist Gunnera tinctoria eine rhabarberähnliche Pflanze, mit diesem aber nicht verwandt. Die jungen Stiele werden aber teilweise wie bei unserem Rhabarber gekocht und gegessen. Die Pflanze wird aber nicht als Nutzpflanze kultiviert, sondern wächst hier überall als „Unkraut“ als natürliche Vegetation entlang der Straßen.

  4. na solche Straßen hbens in sich…nicht leicht mit dem Rad. Kann schon denken, dass Regen die Sicht verdirbt … aber es kann ja nur besser werden. HMMM, was für ein leckeres Essen, da läuft einem ja das Wasser im Mund zusammen. Gute Weiterreise, bis bald

  5. Hallo Niko! Das sind sehr schöne Aufnahmen, die einem bei 0 Grad und Schneeregen in der Heimat noch besser gefallen! Wir finden es nach wie vor unglaublich, was Du da jeden Tag machst und freuen uns immer, in Deinen Blog zu schauen. Da uns auch Deine Kochtipps gefallen, werden wir das Gericht mit dem Biogemüse gleich nachkochen! Alles Gute und weiterhin eine schöne Reise!

    1. Das freut mich! Für das Gericht braucht ihr für die Würze nur etwas Salz (oder etwas mehr) und frisch gemahlenen bunten Pfeffer.
      Schmeckt dann sehr lecker und der Käse schafft eine schöne Crèmigkeit 😉 Alles schön scharf angebraten für die Röstaromen. Die Kartoffeln habe ich im Vorfeld
      gekocht. Sonst werden die nie gar 😉 Lasst es euch schmecken!

  6. Das es Dir gut geht wissen wir jetzt ja! Was macht denn die Ausrüstung! Vermisst Du schon was und funktioniert noch alles?

    1. Ich habe bisher nur mein Rücklicht verloren. Sonst funktioniert aber noch alles tadellos. Nur mit der Befestigung meiner Fronttaschen bin ich nicht ganz zufrieden.
      Da müsste die Federspannung fester eingestellt sein, damit sie sich auf schlimmem Wellblech nicht losrütteln. Vermissen tue ich bisher noch nichts. Habe ja alles dabei.
      Deswegen bin ich ja so schwer unterwegs. Es ist aber bisher auch noch nicht so, dass ich mich schon von etwas trennen könnte. Eigentlich brauch ich alles.

      1. Super Bericht. Wir sind jetzt schon an der chilenischen-peruanischen Grenze. Als Tip, ich habe die Taschen bei solchen Verhältnissen mit Packriemen festgezurrt am Gestänge. So hielten sie auch bei holprigen Strecken. Gruss Michi und Pia

        1. Danke! Ganz so schnell wie ihr bin ich nicht. Sitze jetzt gerade bei Lachst und Kaffee und Kuchen an einem Chilenischen Fjord und schaue dem Regen draußen zu. Liebe Grüße

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