Vulkane und Seen und ein bisschen Hollywood

 

 

 

Putzig, der Fuchs, der sich an meine Taschen anschleicht, im Glauben ich hätte ihn noch nicht entdeckt. Dabei versuche ich mich nur ganz ruhig zu verhalten und langsam die Kamera aus dem Rucksack zu ziehen. Ganz nah traut er sich an meine Taschen heran, P1080980schnuppert, wittert und hofft auf eine schnelle, leicht zu erbeutende Mahlzeit. Das sauber gepflegte, dichte Fell glänzt golden bräunlich in der Abendsonne und am liebsten würde ich den Fuchs einmal streicheln. Aber ein Wildtier ist nun einmal kein Haustier und muss wild bleiben. So verscheuche ich den Besuch, damit er sich sein Abendessen woanders sucht.

Diese schöne Begegnung fand eine Tagesreise nach Bariloche statt. In der Stadt hatte ich fünf Nächte in einer Casa de Ciclistas mit vier anderen Radfahrern bei Assado (Barbecue), Wein und netten Gesprächen verbracht. Bariloche ist die Schokoladenhauptstadt Argentiniens und zieht durch seine Mischung aus alpenländischen Gebäuden, Schokolade und fantastischer Landschaft in direkter Umgebung, Touristen aus der ganzen Welt an. So besuchte auch ich das Schokoladenmuseum, kaufte ein paar Pralinen und bestieg einen Aussichtshügel mit fantastischem Blicke über die Seenlandschaft bevor es weiter ging, einmal um den glasklaren See herum in Richtung der chilenischen Grenze. Die nicht mehr weit entfernten Vulkane kündigten sich schon vor der Grenze an, als ich am Grenzpass (1304 m) plötzlich durch Berge von Vulkanasche rechts und links der Straße fuhr. Die ganze Landschaft war bedeckt von weiß-gräulichem Staub. Erst gegen Ende der 25 km langen Abfahrt kam ich wieder in grüne Landschaft und die ersten ernsthaften Ansätze von Landwirtschaft waren zu sehen. Da ich unbedingt zum Fuji Chiles, dem Vulkan OsornoP1090508 wollte, wendete ich mich für einen knapp 200 km langen Umweg Richtung Süden. Ein Umweg, der sich auf jeden Fall gelohnt hat! Fantastische Ausblicke auf den perfekt geformten Vulkan mit seiner Schneekappe, herrliche Sonnenuntergänge wie in der Karibik, Übernachtungen direkt am Strand, angenehmes Klima und deutscher Kuchen. Eine Kombination, wie sie weltweit nicht so häufig anzutreffen ist und wohl schon einige deutsche vor mir beeindruckt haben muss, die sich bevorzugt in dieser Gegend niederließen. Den Kuchen und viele deutsche Namen, die hier überall zu finden sind, brachten sie wohl mit. Einmal um den See Llanquihue herum wendete ich mich wieder Richtung Norden. Nun sollte es wirklich mal vorwärts gehen. Also ab auf die Autobahn, zwei Tage in Gesellschaft dreier Briten, und Strecke machen. Der Plan, die 1000 km bis Santiago durchzufahren wurde allerdings schnell wieder verworfen. Nicht etwa, weil die Straße zu schlecht oder zu dicht befahren war, sondern weil noch ein kleines Stück tolle Landschaft mich von meinem Nordwärtsdrang abbrachte. Von der Autobahn zu sehen, zog mich der Vulkan Villarica in seinen Bann. Ähnlich dem Vulkan Osorno hat auch der Villarica ein fast perfektes Erscheinungsbild und so entschied ich mich spontan auch diese 80 Extrakilometer noch mitzunehmen und den Vulkan zu besteigen. Wenn man schonmal in so einer Vulkangegend ist, dann muss man auch auf einen rauf! Und wieder mal habe ich diese Entscheidung nicht bereut.

Früh um 6 Uhr war Treffpunkt an der Agentur, Einkleiden und Abfahrt zur Talstation des Skigebietes Villarica auf 1200 m. Von hier aus hätte man noch 400 hm mit dem Lift machen können, was für mich natürlich nicht in Frage kam und so stieg ich mit zwei Norwegern und unserem Guide im Lichte der ersten Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne langsam den Berg hinauf.P1090821 (2) Als wir die Bergstation erreichten, kamen gerade die ersten Gruppen mit dem Lift an gleicher Stelle an und in der Folge wurden noch 150 weitere Personen den Berg hinaufgeschaufelt, so dass am Ende ein 200 Mann starker Expeditionstrupp in Kleingruppen den Berg hinauf, dem rauchenden, 2840 m hohen Gipfel entgegenzog. Vorbei an einer beim vorletzten Ausbruch ausgebrannten Liftstation, mussten auf halber Strecke Steigeisen angelegt werden. Die Landschaft ringsherum war atemberaubend und je höher wir stiegen, desto kleiner wirkten die umgebenden Bergkegel. Ein besonderes Highlight war dann der Blick in den Krater. Ständig hörte man die brodelnde Lava, beißender Schwefeldampf stieg auf und als der Wind diesen für ein paar Sekunden wegblies, war der Blick sogar frei auf das rot-orange- schwarz blubbernde, wallende, flüssige Gestein. Der anschließende Abstieg zurück ins Tal war dann eine Gaudi. Auf Poporutschern ging es flott 1000 hm nach unten, was allen großen Spaß bereitete.

Im Tal angekommen schwang ich mich nochmal auf mein Rad und pedalte bis zum Sonnenuntergang noch 30 km in Richtung Autobahn, auf der es dann wirklich ohne weitere Umwege schnurstracks nach Norden gehen sollte. Schließlich wurde es auch schon merklich Herbst. In den Nächten gab es nun den ersten Frost, während die Tage noch angenehm warm waren. Die Blätter wurden mit jedem Tag ein bisschen bunter und die überall wuchernden Brombeerbüsche hingen nun so übervoll mit Früchten, dass selbst ich nicht mehr mit dem Essen hinterherkam. Also der Sonne hinterher, ab nach Norden. Mitten durch das Herzland Chiles, abseits der klassischen Touristendestinationen. Mitten durch das Gebiet, wo Chile vielleicht am chilenischsten ist. Die gesamte Strecke führte durch land- und forstwirtschaftlich geprägtes Gebiet. Hier wird alles angebaut und hergestellt, was Chile benötig. Fleisch, Getreide, Obst, Wein, Käse, Holz und Ziegel. P1100133Es gibt unzählige verarbeitende Betriebe und überall werden Maschinen und Zubehör zur Bestellung der Felder verkauft. Es wird an Gärkesseln geschweißt, Saisonarbeiter ernten die Felder ab und wo sie nicht nachkommen helfe ich ein kleines bisschen mit und esse meinen Anteil direkt von der Rebe. In der Regel bekomme ich das meiste Obst aber geschenkt oder kaufe es an einem der Fruchtstände zu extrem günstigen Preisen ein. Soviel Herzlichkeit wie auf diesem Abschnitt, der durch einen der ärmeren Teile Chiles führt, ist mir auf meiner bisherigen Reise noch nicht entgegengebracht worden. Einmal werde ich spontan zu einer Familie eingeladen und bekomme sogar noch die Matratze der Tochter zur Verfügung gestellt, am nächsten Tag bekomme ich fast ein Kilo Erdbeeren geschenkt, nachdem ich zwei Tage zuvor schon eine Melone, Tomaten und Brot bekommen hatte. Eine Mitarbeiterin einer Mautstelle stattet mich mit einer Warnweste aus, damit ich auf der Autobahn besser gesehen werde, eine ältere Frau an einer privaten Raststation schenkt mir ein Eis und bietet an mir noch ein Sandwich zu machen. In dieser Weise gibt es fast jeden Tag eine kleine Überraschung. Gleichzeitig fällt auf, dass in der Nähe größerer Städte viel neuer Wohnraum in Form von riesigen Wohngebieten mit 1000 gleichartiger Häuser geschaffen wird. Dazu Werbeplakate, die dazu auffordern die Familie auf das nächste Level zu bringen und ihr ein besseres Leben (durch den Umzug in solch eine Siedlung) zu ermöglichen. Da hier wahrscheinlich nicht am Bedarf vorbei gebaut wird, muss es also auch eine aufstrebende Mittelschicht geben, die hier offensichtlich angesprochen wird. Insgesamt fällt mir hier der Kontrast zwischen den verschiedenen Lebensstandards im Land deutlicher auf als auf meiner bisherigen Reise.

Mit zunehmenden Fortschritt nach Norden wird die

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Panam Niko 2016 – Bei Km 581 vor Santiago auf dem Weg nach Los Angeles

Umgebung immer trockener. Schon im Süden war Landwirtschaft nur mit künstlicher Bewässerung möglich, die hier immer mehr zunimmt. Flüsse werden aus Bewässerungsgräben gespeist und bedenkenlos trinken, wie ich es aus dem Süden Patagoniens gewohnt war, würde ich aus diesen Gewässern hier nicht mehr. Das erste Mal bin ich im Übrigen auch auf der eigentlichen Panamericana unterwegs, die hier auch so heißt. Natürlich nutze ich diesen historischen Moment mich bei der ersten Gelegenheit auf dieser Straße zu verewigen. Auf dem Weg nach Los Angeles, bei Kilometer 581 drücke ich mit Erlaubnis der Straßenarbeiter meine Hände in den frischen Beton und verewige mich mit dem Schriftzug: Panam Niko 2016. Ein Hauch von Hollywood liegt in der Luft.

 

Kurz vor Santiago werde ich von meinem Warmshower Host aus Los Angeles, bei dem ich drei Tage zuvor übernachtet hatte, mit dem Auto überholt, der mich erkannte und anbot, dass ich an diesem Abend bei seinem Bruder übernachten könne, wenn ich die 100 km bis dorthin noch schaffe. Da ich gerade erst losgefahren war, war dies natürlich kein Problem und so konnte ich mich unverhofft an dem Abend noch über Barbecue, Bier und ein Bett freuen, bevor es am nächsten Tag dann die letzten 40 km in die Metropole Santiago ging. 7 Millionen Menschen oder 1/3 der Chilenen leben hier. Die Stadt bietet allen westlichen Standard, hat gleich mehrere große Malls zu bieten und wenn man es nicht besser wüsste, wähnte man sich irgendwo in einer US- amerikanischen Stadt. Ich nutze die Zeit hier für allerlei organisatorisches, habe meine Kamera reparieren lassen und hoffe auch noch das Problem mit meiner Drohne gelöst zu bekommen, wobei die Chancen hier aktuell nicht so gut stehen. Bald geht es dann wieder zurück nach Argentinien in Richtung Buenos Aires. Dazwischen ein fast 4000 m hoher Pass und viel Pampa. Der nächste Bericht wird also wahrscheinlich auch wieder drei Wochen auf sich warten lassen.

Bis dahin müssen die 120 Fotos, die diesem Bericht diesmal anhängen über die Zeit trösten.

Und wer sich fragt wie diese Fotos immer wieder entstehen… nun… manchmal ist es einfach die Frage des richtigen Engagements und der richtigen Perspektive…P1000531

 

7 thoughts on “Vulkane und Seen und ein bisschen Hollywood”

  1. Es scheint mehr als nur ein einziges Paradies zu geben…Wie kann man nur so viel Schönheit auf einmal verkraften?! Und bei so viel Herzlichkeit der Menschen – da kommt man schon ans Nachdenken hier zu Hause in unserem Wohlstand… Wir wünschen dir weiterhin so tolle Erlebnisse und behütete Fahrt!

  2. Hello Niko – bin sehr beruhigt von dir zu hoeren.
    Feut mich dass dich die Chilenos so gut behandeln.
    Du wirst ja bald eine Beruehmtheit – so viele
    Abenteuer und dein Buch werde ich heute schon
    abonieren. Gute Weiterfahrt!
    Ciao – Rainer

  3. Hallo Niko,
    einfach nur umwerfend!
    Dir weiterhin a safe and exiting trip!

    Liebste Grüße aus der Heimat Hattenhofen hinterm Ofen (nicht ganz….)!

    Gabi

  4. Lieber Niko,
    In diesem Jahr müssen unsere Geburtstagsgrüße einige Grenzen überwinden und wir wissen nicht, wo sie Dich gerade erreichen. Deine Unternehmung hat nun schon seit Monaten unsere besondere Aufmerksamkeit auf Dich gezogen und deshalb denken wir am heutigen Tag besonders intensiv an Dich. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Hals- und Beinbruch und immer ein gutes Auge auf die Strasse. Wir freuen uns, dass Du nach wie vor gut drauf bist. Genieße den heutigen Tag, wir stoßen auf jeden Fall auf Dich an. Prosit Niko!
    Ganz liebe Grüße
    Deine Anno und Margret

    1. Vielen Dank!Im Moment bin ich 490 km vor Buenos Aires in der Pampa. Versuche vor dem Regen noch ein paar Kilometer zu schaffen. Liebe Grüße nach Deutschland

  5. Ein Hauch von Hollywood??? Dieses Projekt könnte zu einem Blockbuster werden!:-) Weiterhin gute Fahrt und alles Gute!

    1. 😀 Allerbesten Dank! Dann organisierst du schonmal die Pressekonferenz in LA! Wir müssen das Ding jetzt ganz grooooß rausbringen 😉

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