This is the end…

Schluss! Aus! Fertig! Rums! Die Reise ist zu Ende. Feierabend! Und bei der Mexikanischen Polizei sind wir auch noch aktenkundig geworden. Was ist passiert? Auf dem Kopf den größten Sombrero, den ich finden konnte, habe ich meinen Bruder am 04. April vom Flughafen in La Paz, Baja California abgeholt. Für ihn eine Wunschstrecke, auf die er sich lange gefreut hatte und die er, trotz Knieproblemen unbedingt mitfahren wollte. Knappe 1500 km Wüstenstrecke. Ständiger Gegenwind und viele Hügel und kleine Berge. Keine Touristischen Highlights. Kein Schnick Schnack. Ein Reinschnuppern in den normalen Radelalltag. Um ihm eine möglichst authentische Vorstellung davon zu geben, was so eine Radreise ausmacht, gingen wir zum Einstieg des ersten Tages früh morgens zum Strand, wo der Fischer, mit dem ich mich am Vortag verabredet hatte, schon auf uns wartete. Nach 30 minütiger Fahrt erreichten wir eine Bucht, wo wir nach dem größten Fisch der Welt ausschau hielten. Leicht zu finden sind sie, die sanften Riesen der Weltmeere, da ihre Rückenflosse bei der oberflächennahen Futtersuche immer wieder aus dem Wasser schaut. Walhaie sind Planktonfresser (schlucken aber auch kleinere Fische, wenn sie sich in ihr Maul verirren), werden bis zu 13 m groß, stehen auf der Roten Liste bedrohter Tierarten und mit ihnen zu schwimmen ist ein einmaliges Erlebnis. Unsere erste Sichtung war ein Exemplar von geschätzt 6-8 m Länge. Mächtig groß auf jeden Fall und so konnten wir es kaum erwarten zu ihm ins Wasser zu gleiten. Was für ein Tier! Majestätisch, völlig entspannt mit nur langsamen Bewegungen schwebt der Walhai durchs Meer, während es uns, trotz Flossen, einiges an Ausdauer und Kraft abverlangt mit ihm mitzuhalten oder ihn gar zu überholen, um einmal in das weit geöffnete Maul schauen zu können, durch das tausende von Litern Wasser fließen um gefiltert zu werden. Nach 25 Minuten haben wir für die erste Runde genug und gehen für eine Aufwärm- und Verschnaufpause zurück an Bord. Auch die gelegentlichen Quallenstiche waren für den Moment dann doch zu viele. Langsam kamen auch die ersten Touristenboote angefahren, eines voll beladen mit 12 lärmenden und feiernden mexikanischen Touristen, die mehr an sich selbst als an den Tieren interessiert waren und so verschwand unser Hai in tiefere Gewässer und außer Sicht. Er schien diese Art von Touristen und Tourismus genauso zu verabscheuen wie wir. Bald sichteten wir den nächsten Walhai und als sich das Boot mit den anderen Touristen wieder näherte, rief unser Kapitän dem Kollegen zu, er solle sich seinen eigenen Hai suchen. Richtig so. Immer mehr Boote tuckerten nun ein um dem Tier zu folgen und ihre Gäste zu ihm ins Wasser springen zu lassen und so fuhren wir ein Stück weiter, um wieder unsere Ruhe zu haben. Mit unserer dritten Begegnung stiegen wir nun auch nochmal ins Wasser und schwammen wieder lange Zeit parallel, fasziniert von der Größe, der Sanftmut und der tollen Zeichnung der Haut sowie von den Putzerfischen, die in seinem Schatten unter den Flossen und dem Bauch mitschwammen. Nach 1,5 h machten wir uns wieder auf den Rückweg, während weitere Boote noch mehr Touristen heranschafften, die die Tiere vermutlich nur kurz zu Gesicht bekamen, da Walhaie bei zu viel Bedrängung abtauchen. Beide waren wir sehr froh, dass wir nicht auf einem der Touristenboote mitfahren mussten, sondern wieder mal ein ganz privates, intimes Naturerlebnis gehabt hatten. Hatte ein Walpaar den Auftakt zum heutigen Tag gegeben, mit der Rückenflosse gegrüßt und eine Fontäne gesprüht, so rundete eine Delfinschule den Tag ab, der wir noch 10 Minuten folgten, bevor es endgültig zurück zum Strand ging. Ein paar Ceviche, Quesadiallas und Cocktails an der Promenade und dann war es Zeit die Taschen zu packen. Am nächsten Tag sollte es los gehen. Die ersten Radkilometer auf der Baja California. Unspektakulär ging es die ersten Kilometer zügig aus der Stadt heraus, vorbei an den ersten Kakteen und einen 200 m hohen Anstieg hinauf auf ein welliges Plateu. Tapfer kämpfte mein Bruder sich durch die ersten Krämpfe und nach 75 km war bei einem Radler im Schatten hinter einem Haus mit Kiosk mitten im Nirgendwo Feierabend. Wir durften auf dem weiten Gelände campen, bekamen noch einen großen Eimer mit Wasser zum Duschen und am nächsten Morgen frische Burritos mit selbstgemachtem Trockenfleisch, Bohnenpüree und Kaffee. Das ganz normale Radlerleben eben. In der Wüste ist es heiß und man muss viel trinken. Das bekam mein Bruder an diesem Tag deutlich zu spüren. Nur mit Mühe schleppte er sich die letzten km bis zum rettenden Kiosk. Radler, viel Flüssigkeit und 1,5 h später war er wieder auf dem Damm und der Tag nach 85 km vorbei. Weitere 90 km ohne Kurve schnurgerade durch unspektakuläre Landschaft, Gegenwind, das erste Hotel. Ein früher Start, ein Rechtsknick, ein laaaaaaaaaaang gezogener flacher Anstieg von 50 km bei 1% Steigung durch lockere Kakteenwälder, hinein in einen hübschen Canyon und weiter durch ansprechende, hügelige Landschaft, die mit jedem Kilometer nun schöner wurde und am Ende war die Halbinsel wieder überquert. Ein kurzer Fitnesscheck und der Beschluss, die 122 km bis zur Stadt noch voll zu machen bescherten uns ein unerwartetes Abendessen. Eine halbe Stunde zuvor überholte uns ein Pickup, dessen Ladefläche mit Zicklein völlig überladen, ja diese fast schon gestapelt waren. Dazu noch die landestypische, schlechte Ladungssicherung und so kam es wie es kommen musste. Mein Bruder, der ein paar Meter vor mir fuhr rief: “ Guck mal, die ist bestimmt vom Truck gefallen!“ Ich antwortete mehr im Spaß: „Super! Die ist ganz frisch! Lass essen!“ Mein Bruder, ganz begeistert von der Idee, drehte um und gemeinsam nahmen wir das Tier in Augenschein. So frisches Fleisch verkommen zu lasssen wäre echt eine Schande und nach kurzem Überlegen, hängten wir das Tier an einem Baum am Straßenrand auf und begannen damit die Haut abzuziehen. Es dauerte nicht lange und da wurden wir schon wieder unterbrochen. Die Polizei hatte gestoppt um zu schauen, was wir da trieben. Sie wollten wissen wo wir das Tier her hätten, kontaktierten das Revir, schauten nach, ob das Tier ein Tag habe (hatte es zum Glück nicht) oder von uns möglicherweise erschlagen worden war (war zum Glück auch keine äußere Gewalteinwirkung erkennbar) und so war alles in bester Ordnung. Zumindest gab das Revier grünes Licht, dass in diesem Fall keine Straftat vorläge und wir wurden aufgefordert weiterzumachen. Trotzdem wurde noch eine Kopie des passes angefertigt und es wurden Fotos für die Akten gemacht. Ich, freundlich in die Kamera lächelnd, mit meinem zerschlissenen Trikot und dem bescheuerten Vogelscheuchenstrohhut, den ich an diesem Tag auf der Straße gefunden hatte, mein Bruder mit breitem Grinsen, den Sombrero auf dem Rücken, das gezückte Messer in der Hand neben der halb abgezogenen Ziege posierend. Die wahrscheinlich besten Filephotos des gesamten Archivs und eine Story, die noch die nächsten Monate immer wieder erzählt wird, wenn die Polizisten Radreisende sehen… Mit etwas Gemüse als Beilage gab es auf jeden Fall ein üppiges Abendessen ab. Weiter hügelig ging es die Küste entlang, überfüllte Strände zum Campen inklusive. Es waren Osterferien und damit die Hauptreisezeit der Mexikaner. Wieder mal musste die Hauptkordillere überquert werden, dann 200 flache Kilometer durch unspektakuläre Wüste, mein Geburtstag und dann ging es hinein in die Traumlandschaft, an die jeder denkt, wenn er „Baja California“ hört. Riesige Cardon Kakteen, dazwischen Felsblöcke verschiedener Größe gestreut, wolkenfreier Himmel und Sonne den ganzen Tag, schlappe Geier am Wegesrand. Der wahre Zauber beginnt aber, wenn sich die Sonne langsam dem Horizont entgegensenkt. Die Zelte sind idyllisch zwischen Kakteen platziert. Im Gegenlicht zeichnen sich die großen Kakteen wie Scherenschnitte ab, während die haarigen Stacheln der kleinen rüsselartigen Kakteen im Gegenlicht golden und weich leuchten. Dazu gibt es frischen Kaffee und Kekse. Natürlich. In dieser Weise ging es noch eine Weile bis nach El Rosario. Hier macht die Straße einen abrupten Rechtsknick, es geht über einen Berg ans Meer und von hier mal das Wasser in Sichtweite, mal hinter ein paar Bergketten versteckt, über die man natürlich hinüber muss und zwischen denen Agrar und Weinfelder liegen, bis nach Ensenada. Erste Stadt und fast schon Beginn von Amerika. Breite, fastfoodkettengesäumte Straßen und viel Verkehr. Die eigentliche Baja ist hier nicht mehr zu finden. An einem Tag ging es noch die letzten 100 km nach Tijuana und damit in die letzte Stadt auf meiner Reise. Schluss! Aus! Fertig! Rums! Die Reise ist zu ende. Zumindest, was den Lateinamerikanischen Teil angeht. 22426 km. 166 000 Höhenmeter. 17 Länder. Und dann steht man vor einem langen, hohen Zaun. Deutlicher kann die Trennung dieser zwei Welten nicht sein. Drüben die USA und der „Westen“ mit einem Leben, dass so anders ist, als das Leben hier. Nur ein paar Meter und einen für viele unüberwindlichen Zaun weiter. Ich freue mich nun auf den nächsten Abschnitt. Die eigentliche Reise in der fremden Ferne geht zu ende. Während ich diesen Satz schreibe, läuft vor dem Fenster des Cafés in dem ich sitze ein Besenverkäufer mit seiner Ware vorbei. Ein Bild, dass ich ständig auf meiner Reise gesehen habe. Ein Bild, das symbolisch ist, für Lateinamerika, wo irgendwer irgendwo irgendwas immer verkauft. Ich habe das Chaos und die Lebensart irgendwie lieb gewonnen und auch im touristischen Moloch der Grenzstadt Tijuana findet man abseits der Touristen- und Feiermeile nur ein paar Straßenblocks weiter noch dieses Lateinamerika, wo man alles kaufen und alles nochmal repariert bekommen kann. Hier lasse ich meinen Stuhl reparieren, der an einer Stelle durchgeschlissen war, verhandele gewohnt hart und drücke den Preis auf deutlich unter 40% des Anfangsgebots. Esse günstig an Straßenständen meine letzten Tacos und hole mir zum Nachtisch einen Becher mit frisch zugeschnittenen Früchten. All das lasse ich nun zurück. Aber die Reise geht weiter. Es wird nur ein bisschen anders. In vertrautem Umfeld in einem Land, das mir gut bekannt ist. Aber dazu beim nächsten Mal, so in einem Monat dann wahrscheinlich aus San Francisco…

Bis dahin wie immer viel Spaß mit den Fotos und Schnappschüssen des letzten Abschnitts (diesmal 56)

 

2 thoughts on “This is the end…”

  1. Hallo Nico
    Super Bericht, aber hatte bei den ersten Zeilen trotzdem kurz gestockt. Wäre schade gewesen, wenn nochmals was vorgefallen wäre und du die Reise beendet hättest. Geniesse nun den weiteren Weg an der Küste. Und Fast Food ist für einen Tourenfahrer auch nicht immer schlecht, wenn man Kilometer machen will.
    Gruss aus der Schweiz

  2. Baja California – two men – two bikes – one dream… und tolle Erlebnisse zum Teilen! Und dann noch gemeinsam „rübergemacht“ in den “ Westen“… 😉 Aber ohne Witz: schon bedrückende deutsch-deutsche Grenzerinnerungen… Wir wünschen euch noch schöne restliche gemeinsame Tage in Kalifornien und dir eine gute, gesunde Weiterfahrt!

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