Licht und Schatten entlang der Carretera Austral

 

Blobp…, Blobp…, Blobp… Es tropft durch die Decke. Nicht nur auf das Geschirr an der Wand, sondern auch auf die linke Seite des Herdes. Schnell setze ich noch einen Deckel auf meinen Topf. Man weiß ja nie, ob es nicht auch mal ein bisschen weiter rechts durch die Decke regnet. Das Badezimmer des ersten Stocks befindet sich direkt über der Küche und die Sanitären Einrichtungen schienen in einem ähnlichen Zustand zu sein, wie der Rest des Hauses auch, das die besten Jahre unübersehbar schon lange hinter sich hatte. Aber ich wollte ja gerne ein billiges Hostel haben. Vor allem wollte ich aber dem Regen draußen entgehen, der sich schon seit gestern, fast ohne Unterbrechung vom HimmelP1080091 ergoss. Schon bei nur durchwachsenem Wetter war ich aus Cohyaique losgefahren, nachdem ich wetterbedingt noch einen Tag länger dort verbracht hatte. Die Stadt selber hatte zwar nicht so viel zu bieten, ist aber die mit Abstand größte Stadt entlang der gesamten Carretera und so ließ es sich bei Empanadas und Kaffee trotzdem gut aushalten. Am Tag meiner Ankunft dort traf ich am Abend zufällig nochmal auf die drei Franzosen, mit denen ich hier angekommen war und so verabredeten wir uns noch einmal zum gemeinsamen Abendessen, welches ich sehr genoss. Zur Abwechslung frisch geduscht und normal angezogen, bei Wein und guten Speisen an einem gedeckten Tisch zu sitzen, auszugehen, wie man das in der Heimat im normalen Leben auch täte, das war ein schönes Gefühl.

Nun endlich auf Asphalt arbeitete ich mich eine etwas längere Steigung aus Cohyaique heraus, um auf der anderen Seite des Hügels direkt wieder durch eine Schlucht ins Tal hinabzusausen. Wie viel Spaß es doch machen kann ohne Schotter so unbeschwert dahinzufahren! Kurz vor Puerto Aysen bog ich dann in das nächste Tal ein. Mittlerweile hatte der Regen wieder eingesetzt und ich wollte daher ohne viel Pause einfach durchradeln, wurde aber dann doch von einem entgegenkommenden spanischen Radfahrkollegen winkend gestoppt. Er wollte mich auf frische Himbeeren aufmerksam machen, die nur einen knappen Kilometer weiter entlang der Straße wuchsen. Diesen willkommenen, gesunden Snack ließ ich mir dann natürlich doch nicht entgehen und nahm den Tipp dankend gerne an. Mit stärker zunehmendem Regen erreichte ich nach knapp 90 km das einzige Dorf auf meiner Etappe und so beendete ich den Tag in einem Hostel mit einer heißen Dusche. Der darauffolgende Tag brachte den erhofften Sonnenschein P1000263und ich machte mich gut ausgeschlafen wieder auf durch ein offenes Tal mit tollen Ausblicken auf die umliegenden, teils vergletscherten Berge. Sehr interessant war ein kurzer Zwischenstopp bei einer Lachsfarm, die ich hier oben in den Bergen nicht vermutet hätte. Genau genommen handelte es sich um eine Reproduktionsfarm mit 3500 Fischen dreier verschiedener Lachsarten, zu je 250 Tieren pro Bassin. Die großvolumigen Bassins wurden mit frischem Wasser direkt aus dem Fluss gespeist und boten den Tieren viel Platz zum schwimmen. Antibiotika kommen hier Aufgrund der sehr guten Aufzuchtbedingungen so gut wie nicht zum Einsatz, wie mir der Mitarbeiter der Farm auf Nachfrage versicherte und auch die Sterbequote sei extrem gering. Insgesamt schien es mir als freue sich der Mann, dass mal jemand hier anhielt und sich für seine Arbeit interessierte, denn eine offizielle Führung gibt es hier nicht und offiziell durfte ich auch eigentlich gar nicht auf das Gelände weshalb ich leider auch keine Fotos machen durfte.

Bald ging es wieder in feuchteres Gebiet mit engen Schluchten, steil und dunkel bewachsenen, aufragenden Berghängen mit Regenwald und riesigen Mammutblatt Pflanzen, die den Straßenrand säumten. Ein völlig urtümlicher Abschnitt der Carretera. Hier unternahm ich auch eine sehr lohnenswerte Wanderung durch den Bosque EncantadoP1080462 – den verzauberten Wald. Und der Name hätte nicht passender gewählt sein können. Mit nur wenigen Schritten tauchte ich ein in eine völlig andere Welt aus dick, weich bemoosten Bäumen, Farnen, engen, verschlungenen Pfaden und glasklaren Bächlein, die aus jeder Ecke quicklebendig sprudelten. Moose und Flechten hingen von den Ästen wie lange Bärte und die senkrecht stehende Sonne schickte ihre Strahlen wie Spots, die auf Punkte in einer Ausstellung aufmerksam machen wollten, durch das dichte Blätterdach. Wäre das ganze nicht ein Werk der ursprünglichen Natur, man würde meinen es haben sich die Bühnenbildner von Disney und Co hier ausgetobt, ihrer ganzen Fantasie beim Design eines Märchenwaldes freien Lauf gelassen und seien dabei vielleicht schon fast etwas über das Ziel hinausgeschossen. Eine Märchenwelt wie aus der Märchenbahn, in die man völlig abtauchen, von der man ein Teil werden konnte, die auch mich verzauberte und hätte mir jemand erzählt Schneewittchen lebe und backe hinter der nächsten Ecke Kuchen für mich, ich hätte auch das geglaubt. Langsam entstieg ich dieser Zauberwelt hinauf zu einem Gletscher, wo ich meine Mittagsrast einlegte. Nach etwas über drei Stunden war ich zurück am Ausgangspunkt meiner Wanderung, fuhr noch knapp 40 km weiter bis zu einem Campingplatz, wo ich im trockenen auf der Veranda der älteren Frau, die den Campingplatz betrieb übernachten durfte, da sie sich so gefreut hatte, dass ich ihren Generator zur Stromversorgung in Gang bringen konnte. Am nächsten Morgen dann bei Regen weiter in Richtung des kleinen, von deutschen Auswanderern gegründeten Dörfchens wo ich zwei Nächte in oben beschriebener Herberge den Regen ausharrte. Die für mich letzten 115 km Carretera Austral bis Villa St. Lucia fuhr ich dann bei durchwachsenem Wetter am Stück, kämpfte mich nochmal an guten bis miserablen Fahrbahnbelägen ab durch nun schon gewohnt Carretera typische Landschaft und bog hier in Richtung Futaleufú ab. Dem Rafting Mekka Südamerikas und dem angeblich zweitbesten Raftingrevier der Welt… Das muss ich natürlich testen.

Fazit nach knapp 1000 km Carretera Austral

Ein wildes, ursprüngliches Stück Chile, dünn besiedelt, mit immer wieder wechselnden Landschaften von engen, dunklen, feuchten Tälern mit urtümlichem Regenwald bis hin zu offeneren, trockeneren Landschaften. P1000315Überall klare Flüsse aus denen man ohne Bedenken trinken kann und auf vielen Gipfeln leuchten weiß – bläulich die Gletscher. Für mich bleibt ein vielschichtiges Bild zwischen unfreundlicher, rau- wilder und abweisend nass-kalter Szenerie und einladend schöner, ursprünglicher Natur. Zwischen katastrophaler, geschotterter Scheißpiste vor allem im Süden und gut ausgebauten Abschnitten. Das Gesamterlebnis und der persönliche Eindruck dabei stark vom Wetter geprägt, wo die schönste Landschaft bei Regen, Kälte und tief hängenden Wolken unfreundlich und unattraktiv erscheinen kann und die Fahrt durch eher unspektakuläres Gebiet bei herrlichem Sonnenschein zu einem schönen Erlebnis wird. Ein Abschnitt meiner Reise, den ich trotz aller Strapazen nicht missen möchte.

An vielen Stellen werden Vorbereitungen zur weiteren Asphaltierung der Straße getroffen, was meiner Meinung nach sinnvoll ist und zu einer deutlichen Verbesserung der Carretera führt, auch wenn andere Reisende mit der zunehmenden Asphaltierung eine Bedrohung dessen sehen, wofür die Fernstraße in ihren Augen steht. Ein letztes Abenteuer auf rauen, ursprünglichen Pisten in ursprünglicher, wilder Natur.

 

7 thoughts on “Licht und Schatten entlang der Carretera Austral”

  1. Scheint ja viel zu regenen. So ein Mist! Sieht aber trotzdem sehr schön aus 🙂
    Wann gibts mal wieder einen Film?

    1. Bin ja dran. Darf aber die Musik nicht verwenden, die ich eingeplant hatte. Sonst wird das Video in Deutschland gesperrt…
      Muss noch weitersuchen oder einfach wieder kostenlose Tracks von Youtube einfügen…

  2. Wunderschöne Bilder, einmalige Natur, glasklare Flüsse – erinnert mich an Australien -Fraser Island im inneren der Insel

  3. Bart steht Dir auch – ist sicherlich bequemer?

    1. Bequemer schon. Aber wenn er ab kommt wird es mühsam.

  4. Hey
    Coole Videos, da werden wir aus der Praxis ganz neidisch.
    Viel Spaß und genieß die Zeit weiterhin!

    Liebe Grüße

    Celine und Katharina 🙂

    1. Vielen Dank! Freut mich, wenn die Videos gut angekommen. Ist immer viel Arbeit. Ihr seht also, es ist nicht alles Urlaub was ich hier mache, auch wenn ich gerade entspannt bei Kaffee auf der Terasse in der Sonne sitze und auf den See schaue 😉

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