Das himmlische Kind…

 

… und Mutter Maria begleiten mich entlang der gesamten Strecke meiner ersten Etappe vom Südzipfel Südamerikas nach Rio Grande. In regelmäßigen Abständen finden sich kleinere und größere Altäre mit Schutzheiligen. Aber auch der Wind, das himmlische Kind zeigt sich nicht immer von seiner besten Seite…

 

Aber erst mal der Reihe nach: Nach gut 30 stündiger Flugreise bin ich um 11 Uhr Ortszeit in Ushuaia angekommen. Für die erste Nacht gönnte ich mir ein zentrumnahes Hotel um in Ruhe meine Sachen organisieren, duschen und ausschlafen zu können. Trotzdem blieb noch genug Zeit für eine erste Erkundungstour durch Ushuaia. Das Städtchen mit ca. 50 000 Einwohnern und mindestens so vielen Touristen aus aller Welt (aber überwiegend Deutschland, Frankreich, Schweiz, USA und China) bietet alles, was sich an Feuerlandreisende verkaufen lässt. Verschiedene Outdoorgeschäfte, Restaurants und natürlich Souvenirshops. Dazu noch ein paar kleine Museen und vor allem Anbieter diverser Touren für den kleinen (Touren rund um Ushuaia und auf dem Beagle Kanal) und den großen Geldbeutel (Last Minute in die Antarktis für 6000€) finden sich hier. Überwiegend hat sich die Stadt aber doch auf Touristen mit größerem Reisebudget spezialisiert. Für mich ging es nach einem großen Teller Königskrabbe (fangfrisch) und einem Bier in das warme Bett. Überhaupt ist „warm“ im patagonischen Sommer relativ zu sehen. Bei nasskaltem Wetter, 6 Grad und starkem Wind verzichtete ich auf eine 6 stündige Bootstour über den Beaglekanal zu den Magellanpinguinen und besuchte stattdessen das Museo del fin del Mundo. Da keine Wetterbesserung in Sicht war verbrachte ich die zweite Nacht in einem günstigen Hostel als einziger deutscher unter ansonsten ausschließlich israelischen Gästen, was immer wieder zu Verwirrungen führte, als ich auf Ansprachen auf hebräisch nicht reagierte. Aber mein hebräisch ist leider etwas eingerostet… mit meinem spanisch hingegen war ich zumindest schon in der Lage mich zu versorgen und die ein oder andere kleinere Unterhaltung zu führen. Insgesamt bleibt es sprachlich aber noch eine gewisse Herausforderung.P1000047

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Wirklich ganz unten

Nun sollte die eigentlich Reise aber beginnen, denn ich wurde langsam unruhig. Also aufgesattelt und ab ans südlichste Ende der Welt. Ja, diesmal wirklich das Ende der Welt. Zumindest, wenn man die Argentinier fragt. Dass es 2 km weiter südlich noch eine chilenische (Militär)siedlung mit ca. 2300 Einwohnern gibt, zählen wir hier mal nicht.

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Fahrrad als Attraktion und begehrtes Accessoire auf dem Erinnerungsfoto von Touristen

Der Nationalpark Tierra del Fuego liegt ca. 20 km südwestlich von Ushuaia und bietet ein paar Wanderwege, idyllische Campingplätze und das berühmte Schild mit der Kilometerangabe bis Alaska. Bis ich zu meinem eigenen Foto kam musste mein Fahrrad aber erstmal für ein paar Touristen als Fotomodell herhalten. Insgesamt ist es am Ende der Welt aber recht hübsch.

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Das Ende der Welt- eigentlich ganz hübsch

Diese Nacht verbrachte ich mit zwei Schweizern, die ich kurz zuvor im Park getroffen hatte, auf einem freien Campingplatz. Ab dem nächsten Tag gab es aber nur noch eine Vorzugsrichtung: Auf nach Norden! Zusammen machten wir uns mit einem kurzen Einkaufstopp in Ushuaia auf den Weg nach Tolhuin. 120 km immer wieder mit leichten Anstiegen bis auf 420 m und immer noch ziemlich kalt und bewölkt und mit Wind aus wechselnden Richtungen. Die nicht überraschende Erkenntnis nach diesem Tag: Ich bin zu schwer. Zumindest macht sich das Gewicht meines Gepäcks an jedem Anstieg deutlich bemerkbar und die Schweizer sind mit nur halbem Gewicht an den Steigungen deutlich flotter. In Tolhuin fanden wir einen einfachen Campingplatz mit leider nur lauwarmer Dusche aber uriger Kochhütte mit Holzofen, an dem ich mich erstmal aufwärmen musste, war ich nach dieser Etappe doch ziemlich durchgefroren. Das Zelt wurde in kleinen Holzverschlägen aufgestellt, die Schutz gegen den recht kräftigen Wind boten.

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Vom Winde verweht

Immer noch kalt und windig brachen wir am nächsten Morgen relativ spät auf und rollten dann bei überraschend gutem Wetter, angenehmen Temperaturen und Rückenwind gemütlich bis ca. 50 km vor Rio Grande, wo wir dann wieder unsere Zelte aufschlugen. Ein folgenschwerer Fehler, denn die entspannte Gemütlichkeit, die wir an den Tag legten, sollte sich am nächsten Tag bitter böse rächen. Starker Gegenwind erwartete uns plötzlich zu unserem Start der Etappe, der sich ab ca. 30km vor Rio Grande zu einem richtigen Sturm auswuchs, der das Fahren streckenweise unmöglich machte. Teils schiebend teils fahrend kämpften wir uns tapfer vorwärts. Böen warfen uns regelmäßig auf den, zum Glück, breiten Seitenstreifen und auch schiebend musste man aufpassen nicht mitsamt Fahrrad umgeblasen zu werden. Auch jeder LKW sorgte für ein kräftiges hin und her schlingern. Was für eine Strapaze! Schiebend schafften wir zwischen 3km/h und 5km/h. Wenn wir fahren konnten waren zwischen 5km/h und 8 km/h drin. Die letzten 10 km nach Rio Grande hinein machte die Straße einen Knick und wir konnten zum Ausgleich mit Rückenwind in die Stadt rollen. Schlappe 54 km nach 8h Fahrt. Was für eine Bilanz. Im Hostel Argentino genossen wir die wohlverdiente heiße Dusche und zum Abendessen kochten wir uns Steaks. Für mich gibt es heute einen Pausentag zur Erholung, Reiseplanung und fürs Internet bevor es die nächsten Tage bis nach Punta Arenas versorgungstechnisch wieder schlecht aussieht. Meine Schweizer Kollegen haben sich heute morgen schon wieder auf den Weg gemacht, aber ich bin mir sicher, dass wir uns noch ein paar Mal begegnen werden. Sie wollen auf ähnlicher Strecke erstmal bis Kolumbien, aber vielleicht auch weiter…

5 thoughts on “Das himmlische Kind…”

  1. Hey Niko, geile Bilder. Und die Drone funktioniert auch super!! Weiter so, alles Gute
    Ninad

  2. Hy Niko,
    sehr schön, dass es so gut los ging bei dir.. – 😉 Das sieht ja schon ganz sportlich aus.
    Der Helm gehört aber ja auf den Kopf und nicht hinten drauf.. (Geheimtip!)
    v.a. wenn du weiter so wild filmen wirst beim Fahren wirst du ihn vielleicht noch bald brauchen.. 😉
    Also dann – mal alles Gute und Gottes Segen für deine wilde Reise – diesmal von amtlicher Stelle.
    LG Achim

  3. hallo Niko ,
    Ich denk an dich und pass gut auf dich auf .viele liebe Grüße auch von meinen Töchtern .

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